LICHTER Programm & Reihen 2014

Auch 2014 setzt sich das Programm des LICHTER Filmfests wieder aus unterschiedlichen Komponenten zusammen, die den Blick auf die große Bandbreits filmischen Schaffens lenken.

LICHTER Wettbewerb

Der Wettbewerb ist das Herzstück des LICHTER Filmfests. Seit seiner Gründung zeigen wir hier Jahr für Jahr rund ein Dutzend aktuelle Langfilme aus Frankfurt und Rhein-Main und gut zwanzig Kurzfilme aus ganz Hessen.

Das Spektrum der Langfilme reicht auch dieses Jahr wieder von großen Spielfilmen bis hin zu kleinen unabhängigen Dokumentarfilmen. Zwei Weltpremieren gibt es 2014 zu verzeichnen, Rosa von Praunheims Praunheim Memoires und Lost Coast von M.A. Littler. Erstmals in Deutschland zu sehen ist der mit Gérard Depardieu und Harvey Keitel erstklassig besetzte A Farewell to Fools von Bogdan Dreyer.

Daneben stehen engagierte „kleine“ Produktionen wie das eindrucksvolle Portrait einer Gruppe Holocaust-Überlebender in Israel, Erhobenen Hauptes, und der sehr persönliche Die Gelübde meines Bruders, in dem eine junge Frau sich mit der Entscheidung ihres Bruders auseinandersetzt, in ein Kloster einzutreten.

Die Kurzfilme des Wettbewerbs füllen dieses Jahr gleich drei Rollen, die am Donnerstag, Freitag und Samstag jeweils um 22 Uhr in Frankfurt gezeigt und alle noch einmal wiederholt werden. Auch hier gibt es von Animations bis zu Spielfilmen, von Ein- bis Dreißigminütern eine Menge verschiedener Konzepte des Filmemachens zu sehen.

Wer am Ende den MBF-Förderpreis und den LICHTER Preis für den besten Kurzfilm erhält, das entscheiden zwei Jurys. Verliehen werden die Preisbembel am *Sonntag, dem 30. März um 20 Uhr vor dem Abschlussfilm.

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Außerhalb des Wettbewerbs

Bei den Filmen außerhalb des Wettbewerbs und unseres thematischen internationalen Programms greifen wir viele Fäden aus den anderen Sektionen des Festivals uns aus den vergangen LICHTER-Jahren auf. Wir begleiten Filmemacher, deren Werke in der Vergangenheit beim Festival zu sehen waren, präsentieren Filme aus hessischen Partnerregionen oder kleine oder ältere Produktionen aus Rhein-Main selbst.

Auch hier reicht das Spektrum von großen Produktionen aus den USA bis hin zu kleinen deutschen Independentfilmen. Auf den LICHTER-Leinwänden sind Hollywood-Größen wie Joaquin Phoenix ebenso zu sehen wie bekannte deutsche Schauspieler, darunter Lars Eidinger, Helge Schneider, Hannelore Hoger oder die aus Frankfurt stammende Maryam Zaree.

Besonders freuen wir uns über LICHTER-Stammgäste. Zu ihnen gehört Nico Sommer, der mit seinem neuen Langfilm Familienfieber bereits zum sechsten Mal bei uns zu Gast ist. Zu behaupten, seine Filme würden von Jahr zu besser, würde seinen ersten Arbeiten nicht gerecht. Dennoch halten wir seinen zweiten Langfilm, der beim Ophüls-Festival mit dem Preis der saarländischen Ministerpräsidentin ausgezeichnet wurde, für eine großartige, bissige und gleichzeitig liebevolle Analyse von Liebe, Ehe und Familie.

Auch Max Linz ist mit seinem Langfilmdebüt Ich will mich nicht künstlich aufregen bereits zum dritten Mal zu Gast. Der aus Frankfurt stammende Regisseur zeigte vorletztes Jahr Die Finanzen des Großherzogs Radikant Film und war letztes Jahr Gast bei der Gesprächsrunde unserer Freunde von text&beat. Mit seinem neuen Film legt er einen sehr unterhaltsamen Balanceakt zwischen Hommage an die und Parodie der Berliner Kunstszene vor.

Auch James Gray könnte zu einem Stammgast werden: Letztes Jahr hat LICHTER ihm die erste Retrospektive in Europa gewidmet, dieses Jahr zeigen wir sein neues Werk, das Einwandererdrama The Immigrant mit Joaquin Phoenix und Marion Cotillard in den Hauptrollen.

Schließlich greifen wir auch Themen aus den vergangen Jahren wieder auf. Mit People‘s Park gibt es sozusagen auch eine Brücke vom Schwerpunkt Stadt zum Schwerpunkt Humor. Der in einer einzigen Kamerafahrt aufgenommene Film zeigt den äußerst beliebten Shanghaier People‘s Park in Shanghai an einem Wochenende und macht dabei allerlei skurrile Beobachtungen über das urbane Miteinander.

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Internationales Programm Humor

Wer den Humor ernst nehmen will, gerät in ein Dilemma, das schon im Satz selbst angelegt ist. Verkennt man den Sinn des Humors, wenn man ihn, der Lustgewinn, Zerstreuung, ja Unterhaltung verspricht, dingfest machen und näher untersuchen will? Oder verkennt man ihn gerade dann, wenn man ihn in seinem ureigenen Bereich belässt und ignoriert, dass er mehr kann, als „bloß“ zu unterhalten? Der Streit um diese Frage ist meist nicht besonders lustig und führt selbst so brillant komische Autoren wie Eckhard Henscheid dazu, auf die grantigste Weise über angeblich fehlende Anerkennung für ihre Kunst zu jammern.

Jenseits dieser Polemik kann jedoch nicht bestritten werden, dass die komische Kunst, um überhaupt lustig sein zu können, uns in ein besonderes Verhältnis zum Gegenstand unserer Betrachtung versetzen muss. Und diese Konstellation bleibt nicht folgenlos. Bergson beschreibt sie als Entfremdung des Menschlichen in das Automatische: „ein sichtbar mechanischer Ausdruck menschlicher Verhaltensweisen, die aber dennoch äußerlich als gewöhnlich erscheinen, also den Anschein natürlicher Geschmeidigkeit behalten“. Antonin Peretjatko gründet La fille du 14 juillet genau auf diesen Kontrast. Schon in seiner beeindruckenden Eingangssequenz, die in leicht erhöhter Geschwindigkeit wiedergegeben wird, stellt er die Frage nach dem Verhältnis von Staatsmechanik und Menschlichkeit, wenn die komisch beschleunigte Protagonistin Truquette auf die absurden Vorgänge beim Defilierbrimborium des französischen Nationalfeiertags trifft. Ähnlich verhält es sich in Somebody up there likes me, in dem die Funktionsweisen, die „normalen“ Zeitabläufe der Figuren verschoben werden, weil der eine Protagonist nicht altert und sein eigenes Leben und das seiner Freunde um ihn herum gleichsam automatisch ablaufen sieht. In Vulgaria wird die Trennung sogar im Wortsinne vollzogen, wenn bei der alternden Pornodiva für die Produktion eines neuen Films der Unterleib per Greenscreen vom Kopf getrennt, ihr Körper zerlegt wird, ein Teil Gegenstand mechanischer Produktion wird.

Man muss sich Bergsons Analyse im Detail nicht anschließen, um dennoch einzusehen, dass eine Distanzierung, ein Bruch mit dem Dargestellten nötig ist, um über etwas Lachen zu können. Und dieser Bruch zielt auf den Geist, den es in gewisser Weise vom Körper trennt, er richtet sich, wie der französische Philosoph konstatiert „an die reine Intelligenz“. Die Komödie wird damit zu einem Mittel par excellence zur Analyse menschlichen Zusammenlebens. Seien es Rituale amouröser Annäherung wie in Les Coquillettes oder ehelicher Konvention wie in All about my wife, stets lachen wir, weil wir uns die Körper auf der Leinwand die Absurdität menschlicher Verhaltensweisen vorführen. (Was im übrigen auch die Affinität der Komödie zu Interaktionen mit Tieren oder tierähnlichen Körpern, wie in Swandown, Por las plumas oder wiederum Vulgaria erklärt.)

Der Film mit seiner mechanischen Laufzeit ist in gewisser Hinsicht ideale Medium für die Komödie. Dies gilt auch, weil das Lachen, so wiederum Bergson, stets „sein Echo“ verlangt, das es im Kinosaal findet. Die Filme dieses Programms bilden also eine gewaltige Analysemaschinerie, die aber – im Gegensatz zu so manchem Hörsaal beispielsweise – ausnahmslos vergnüglich ist. Wir freuen uns auf das gemeinsame Vermehren von Einsichten und Aussichten auf die Welt.

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Hommage an Rosa von Praunheim

Robert Schittko

Anlässlich der Weltpremiere seines neuen Films Praunheim Memoires zeigen wir in einer kleinen Hommage zwei Filme Rosa von Praunheims. In Unsere Leichen leben noch portraitiert er eine Reihe bemerkenswerter Frauenpersönlichkeiten, die Auskunft über „Die Frau der 30er Jahre“ geben sollen. Wer dabei an dröge Talking Heads denkt, kennt Rosa nicht. Er lässt die Lotti Huber als Gastgeberin allerlei Komplotte mit ihren Besucherinnen spinnen. Heraus kommt eine Hommage an vier großartige Frauen und ein gerüttelt Maß deutscher und Frankfurter Gesellschaftsgeschichte.

Meine Mütter ist gewissermaßen der Vorgänger zu Praunheim Memoires. Rosa macht sich auf die Spurensuche in seiner Rigaer Kindheit, wo er entdeckt, dass er mehr als nur eine Mutter hatte.

Der Regisseur ist bei allen Vorstellungen anwesend.

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Portrait W. C. Fields

Woody Allen, selbst kein Kind von Traurigkeit, machte einstmals sechs Genies der Filmkomödie aus: Charlie Chaplin, Buster Keaton, Groucho und Harpo Marx, Peter Sellers und … W. C. Fields. Während die fünf anderen auch hierzulande recht bekannt sind, ist Fields – völlig zu Unrecht – in den letzten Jahrzehnten von der Bildfläche verschwunden.
Geboren 1880 in sehr bescheidenen Verhältnissen, bahnte er sich ab dem zarten Alter von elf Jahren zunächst als Jonglierkünstler, dann als Comedian seinen Weg durch die Vaudeville-Bühnen der USA bis zu den berühmten Ziegfeld Follies in New York. Der legendäre Mack Sennett holte ihn zum Film, wo er unter anderem seine populärste Figur entwickelte, den strauchelnden Familienvater der unteren Mittelklasse. Seine Figuren mit Namen wie Cuthbert J. Twillie, Egbert Sousé, Larson E. Whipsnade oder J. Effingham Bellweather sind neurotische Versager, die in ihrem Streben nach Glück an den gesellschaftlichen Widersprüchen scheitern, deren unerschütterlicher Glaube an den amerikanischen Traum gegen alle Wahrscheinlichkeiten aber am Ende doch immer belohnt wird. Der Zwiespalt zwischen dem Wunsch nach einem guten Leben und den Konventionen der amerikanischen Mittelschicht des frühen zwanzigsten Jahrhunderts ist der Motor der Komik in den Filmen mit W. C. Fields. Seine Ursprünge im körperbetonten Slapstick lassen ihn einige der lustigsten und turbulentesten Routinen der Filmgeschichte vollführen. Auf der anderen Seite jedoch widersetzt sich der bekennende Alkoholiker („Diese Frau hat mich zum Trinken getrieben, das ist das einzige, wofür ich ihr zu Dank verpflichtet bin“) der Beschleunigung, die von ihm eingefordert wird, spricht betont langsam und ist oft genug seiner Maxime verpflichtet: „Das lustigste, was ein Komiker tun kann, ist, es nicht zu tun.“ Damit ist Fields hochaktuell. Es gilt, einen der Großen wieder zu entdecken.

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