Wer den Humor ernst nehmen will, gerät in ein Dilemma, das schon im Satz selbst angelegt ist. Verkennt man den Sinn des Humors, wenn man ihn, der Lustgewinn, Zerstreuung, ja Unterhaltung verspricht, dingfest machen und näher untersuchen will? Oder verkennt man ihn gerade dann, wenn man ihn in seinem ureigenen Bereich belässt und ignoriert, dass er mehr kann, als „bloß“ zu unterhalten? Der Streit um diese Frage ist meist nicht besonders lustig und führt selbst so brillant komische Autoren wie Eckhard Henscheid dazu, auf die grantigste Weise über angeblich fehlende Anerkennung für ihre Kunst zu jammern.
Jenseits dieser Polemik kann jedoch nicht bestritten werden, dass die komische Kunst, um überhaupt lustig sein zu können, uns in ein besonderes Verhältnis zum Gegenstand unserer Betrachtung versetzen muss. Und diese Konstellation bleibt nicht folgenlos. Bergson beschreibt sie als Entfremdung des Menschlichen in das Automatische: „ein sichtbar mechanischer Ausdruck menschlicher Verhaltensweisen, die aber dennoch äußerlich als gewöhnlich erscheinen, also den Anschein natürlicher Geschmeidigkeit behalten“. Antonin Peretjatko gründet La fille du 14 juillet genau auf diesen Kontrast. Schon in seiner beeindruckenden Eingangssequenz, die in leicht erhöhter Geschwindigkeit wiedergegeben wird, stellt er die Frage nach dem Verhältnis von Staatsmechanik und Menschlichkeit, wenn die komisch beschleunigte Protagonistin Truquette auf die absurden Vorgänge beim Defilierbrimborium des französischen Nationalfeiertags trifft. Ähnlich verhält es sich in Somebody up there likes me, in dem die Funktionsweisen, die „normalen“ Zeitabläufe der Figuren verschoben werden, weil der eine Protagonist nicht altert und sein eigenes Leben und das seiner Freunde um ihn herum gleichsam automatisch ablaufen sieht. In Vulgaria wird die Trennung sogar im Wortsinne vollzogen, wenn bei der alternden Pornodiva für die Produktion eines neuen Films der Unterleib per Greenscreen vom Kopf getrennt, ihr Körper zerlegt wird, ein Teil Gegenstand mechanischer Produktion wird.
Man muss sich Bergsons Analyse im Detail nicht anschließen, um dennoch einzusehen, dass eine Distanzierung, ein Bruch mit dem Dargestellten nötig ist, um über etwas Lachen zu können. Und dieser Bruch zielt auf den Geist, den es in gewisser Weise vom Körper trennt, er richtet sich, wie der französische Philosoph konstatiert „an die reine Intelligenz“. Die Komödie wird damit zu einem Mittel par excellence zur Analyse menschlichen Zusammenlebens. Seien es Rituale amouröser Annäherung wie in Les Coquillettes oder ehelicher Konvention wie in All about my wife, stets lachen wir, weil wir uns die Körper auf der Leinwand die Absurdität menschlicher Verhaltensweisen vorführen. (Was im übrigen auch die Affinität der Komödie zu Interaktionen mit Tieren oder tierähnlichen Körpern, wie in Swandown, Por las plumas oder wiederum Vulgaria erklärt.)
Der Film mit seiner mechanischen Laufzeit ist in gewisser Hinsicht ideale Medium für die Komödie. Dies gilt auch, weil das Lachen, so wiederum Bergson, stets „sein Echo“ verlangt, das es im Kinosaal findet. Die Filme dieses Programms bilden also eine gewaltige Analysemaschinerie, die aber – im Gegensatz zu so manchem Hörsaal beispielsweise – ausnahmslos vergnüglich ist. Wir freuen uns auf das gemeinsame Vermehren von Einsichten und Aussichten auf die Welt.
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