LICHTER Art Award 2017

Von Buenos Aires bis Kassel – der LICHTER Art Award hat Videokünstlerinnen und Filmemacherinnen aus aller Welt begeistert. Für die 7. Ausgabe des mit 1.000 Euro dotierten Preises wurden über 80 Werke eingereicht.
Die Bandbreite der ausgewählten Werke – von Dokumentarfilmen über Filmessays bis hin zu fiktiven Erzählungen – geben Einblick in die aktuellen Strömungen der Videokunst. In ihrer Unterschiedlichkeit und Qualität zeigen die ausgewählten Werke, wohin sich die zeitgenössische Video- und Filmkunst entwickelt. Die Immaterialität des Internets wie auch die hyperreale Präsenz der Post-Internet-Ästhetik lässt sich in vielen Arbeiten beobachten. Zugleich formulieren die ausgewählten Arbeiten einen eigenständigen Kommentar zur künstlerischen wie politischen Gegenwart.

Die Arbeiten der fünf Finalistinnen und Finalisten wurden während des LICHTER Filmfests vom 28. März bis zum 2. April 2017 in einer kuratierten Ausstellung gezeigt. Tobi Sauer für seine Arbeit Simba in New York (2016) durfte sich in diesem Jahr über den mit 1.000 Euro dotierten Preis freuen. Ihm wurde der LICHTER Art Award im Rahmen der feierlichen Eröffnung am 28. März verliehen.

Die Finalisten:

Holger Jenss (D) / Last Chance Junction, 2016, 21:07 min.
Luzie Meyer (D) / The Balcony, 2016, 18 min.
Stefan Ramírez Pérez (D) /AS MUCH AS ANYONE, 2016, 16:43 min.
Tobi Sauer (D) / Simba in New York, 2016, 32 min.
Fritz Laszlo Weber (D) / making waves,,, unmastered, 07:38 min.


Special Screening

Zum 10. Lichter Filmfests zeigen wir ein Jubiläumsprogramm, das die Arbeiten aller Gewinnerinnen der vergangenen sechs Ausgaben des Lichter Art Award präsentiert, kombiniert mit ausgewählten Werken der Jurymitglieder. Winner Luciana Lamothe (AR, 2011), Oliver Husain (D/CAN, 2012), John Skoog (S/D, 2013), Bertrand Flanet (F/D, 2014), Jonathan van Essche (B, 2015) und James N. Kienitz Wilkins (USA, 2016); Jury: Judith Hopf ( 2011), Mike Bouchet (2012) und Simon Starling (2013) und Mathilde ter Heijne (2017).



ART TALK
mit den Finalisten des LICHTER Art Award, Jurymitglied Olaf Stüber und Kurator Saul Judd. Der Art Talk findet am Mittwoch, den 29. März 2017 im studioNAXOS statt.


Öffnungszeiten LICHTER Art Award

Di. 28. März 2017: 17 Uhr – 19 Uhr
Mi. 29. März 2017: 15 Uhr – 22 Uhr
Do. 30. März 2017: 15 Uhr – 22 Uhr
Fr. 31. März 2017: 15 Uhr – 22 Uhr
Sa. 01. April 2017: 15 Uhr – 22 Uhr
So. 02. April 2017: 14 Uhr – 18 Uhr

Gewinner 2017: Tobi Sauer // Simba in New York // D 2016 // 32 min.

Kaum vorstellbar: der Lionsclub als exklusive Vereinigung für Waisen und Halbwaisen, für einsame Helden, Träumer und Lebenskünstler. Was nichts mit der Realität zu tun hat, wird möglich, weil Tobi Sauer in seinem Videoessay „Simba in New York“ kurzerhand den amerikanischen Traum als subjektive Überschreibung der Disney-Geschichte erzählt. Walt Disney gilt, nicht zuletzt, weil er stets betonte, dass er aus einfachen Verhältnissen stamme, als Inbegriff des amerikanischen Traums. Millionen von Kinder wachsen seit Generationen mit seinen Filmen auf und werden von ihnen beeinflusst. In „Simba in New York“ verknüpft Sauer die kindliche Faszination seines namenlosen Protagonisten für die USA, mit den Geschichten jener Disney-Figuren, die wie dieser und Simba der Löwe Waisen oder Halbwaisen sind. Mit alten Tonbandaufnahmen, Home Videos und Überlegungen von W.E.B. Du Bois, Henry David Thoreau und Susan Sontag macht er sich auf die Suche nach dem wahren Amerika.

Tobi Sauer wurde 1991 in Fulda geboren. Seit 2012 studiert er Visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Kassel. Zuvor absolvierte er ein Praktikum bei VFT Film & TV Production in Wiesbaden

Holger Jenss // Last Chance Junction // D 2016 // 21:07 Min.

„Das perfekte Einsteigerland für europäische Afrikareisende: Ghana als Africa light“ – mit Blick auf einen überfluteten Knotenpunkt in Accra und Sätzen wie diesen beginnt „LAST CHANCE JUNCTION eine Videoinstallation von Holger Jenss. Dabei wird seine eigene Erzählung immer wieder von einer seltsam aufmunternden Frauenstimme unterbrochen: „Motivation: Opportunities don’t happen. You create them.“ In seinem Versuch, ein ehrliches Bild vom heutigen Afrika zu zeigen, setzt er westliche Klischees über Afrika und den afrikanischen Blick auf Europa gegeneinander. So entsteht ein kritisches Bild über die Konsequenzen des Kolonialismus. Der Film verknüpft mit humorvollem Blick komplexe Relationen von Geschichte und Gegenwart dieser beiden Kontinente und ihrer politischen Realitäten und Konflikte.

Holger Jenss studierte Fotografie, Film und bewegtes Bild an der Kunsthochschule Kassel und schloss 2016 sein Studium ab. Seit 2016 ist er dort Meisterschüler. Er lebt und arbeitet in Kassel.

Luzie Meyer // The Balcony // D 2016 // 18 min.

Luzie Meyers „The Balcony“ ist eine Videoarbeit, die lose auf Jean Genets „Le Balcon“ basiert. Drei Männer – ein Bischof, ein General und ein Richter – leben in einem Bordell ihre Dominanzfantasien mit einer Prostituierten aus, die auch die Kamerafrau dieser Szene ist. Während ein Streit darüber ausbricht, wer die Macht über die Erzählung hat, werden sadistische und masochistische Verlangen ausgehandelt, verschleiert und aufgedeckt. Das Video, das mit zwei Kameras gefilmt wurde, setzt die eigentliche Autorin des Bildes dem Blick eines zweiten Zeugen aus, der außerhalb ihrer Kontrolle liegt. Soundeffekte, Musik und gestochen scharfe Bildmontagen unterbrechen die narrative Kontinuität. Die Synchronisation führt zu einer Diskrepanz zwischen Körper und Geist der Charaktere und lässt die Grenze zwischen Autorin und Rolle, Realität und Fiktion, verschwimmen. Die Erzählstimme erscheint nicht vertrauenswürdig, da sie sowohl die Stimme der Prostituierten, als auch der Autorin ist. Sie schildert die Szene und verkompliziert dabei zunehmend das Verhältnis von Realität und Fiktion.“ (Luzie Meyer)

Luzie Meyer (1990 in Tübingen) ist eine Frankfurter Künstlerin. Sie hat einen Bachelor-Abschluss in Philosophie von der Goethe Universität. Danach studierte sie an der Städelschule Frankfurt, wo sie gerade ihren Abschluss gemacht hat. Luzies Performances, ihr Schreiben und ihre Videoarbeiten haben sowohl national als auch international Aufmerksamkeit erhalten, darunter zählen Ausstellungen im MMK – Museum für Moderne Kunst, Frankfurt, Fondazione Antonio Ratti in Como, Italy, National Gallery of Prague und das Museum of Contemporary Art Montreal.

Stefan Ramírez Pérez //AS MUCH AS ANYONE // D 2016 // 16:43 min.

AS MUCH AS ANYONE verbindet dokumentarische Aufnahmen aufstrebender und ehemaliger Schauspielerinnen in Los Angeles mit (re)inszenierten Szenen aus Filmen über Schauspielerinnen. Dabei nehmen vier Performerinnen unterschiedliche Rollen an, spielen sich selbst und einander. Im Wechsel fiktionaler und dokumentarischer Handlungsebenen verschwimmen die Identitäten und es entstehen widersprüchliche Narrationen, die Auffassungen von Authentizität und Konstruktion des Selbst in Frage stellen (Stefan Ramírez Pérez).

Stefan Ramírez Pérez (1988) graduierte 2009 an der Vancouver Film School und studiert seit 2010 an der Kunsthochschule Köln. Seine künstlerische Arbeit umfasst experimentelle Filme, Videoarbeiten, Installationen und Performances. Seine Arbeiten wurden in unterschiedlichen internationalen Museen und Filmfestivals gezeigt: Museum Folkwang Essen, Videonale 16 Bonn, Strangloscope Festival, Florianópolis (BR), Stuttgarter Filmwinter, International Short Film Festival Clermont-Ferrand, Frankreich, International Short Film Festival Oberhausen und GoEast Film Festival Wiesbaden.

Fritz Laszlo Weber // Making waves,,, unmastered // D 2016 // 07:38 min.

Die Videoarbeit Making waves,,, unmastered reist entlang unsichtbarer und versteckter Infrastrukturen in Athen. Auf dem Dach einer Polykatoikia, einem modernen Apartmentblock in Griechenland, beginnend, nimmt Fritz Laszlo Weber die Antennen und Solar Panels als Ausgangspunkt für diese Reise. Ein Flug entlang der Geschichte der Radiowellen, deren Territorialisierung, sowie Wege und Möglichkeiten des Widerstandes und der Selbst-Organisation in diesem Kommunikationssystemen folgen. Durch das Zusammenweben bestimmter Ereignisse in der Zeit des griechisch-bayrischen Königs Otto im 19. Jahrhundert mit der Zeit des Militär-Regimes in den 60ern und 70ern und mit heutigen Regierungsformen, werden die Mehrdeutigkeiten lokaler Netzwerke erkundet (Fritz Laszlo Weber).

Fritz Laszlo Weber arbeitet mit unterschiedlichen Medien zu verschiedenen historischen und aktuellen Realitäten von kommunalen Lebensformen. Er untersucht dabei kritisch die sozialen und politischen Rahmenbedingungen von technologischen Ensembles wie Architekturen, Infrastrukturen und Medien. Er ist Teil der Vorbereitungsgruppe für das Tribunal ‘NSU-Komplex auflösen’. Fritz Laszlo Weber hat Visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Kassel studiert und ist momentan Meisterschüler an der Hochschule für Künste, Bremen.