Macht doch mal ernst mit der Komödie

Von Andreas Platthaus

Der Autor ist Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Es war ein furchtbares Finale für diesen erfolgreichen Film. Zehnfach ist American Hustle in diesem Jahr für den Oscar nominiert gewesen, nicht einen hat er gewonnen. Das ist die Höchststrafe – nein, nicht ganz. Es gab zwei andere Filme, die dieses desaströse Ergebnis bei noch mehr Nominierungen erdulden mussten: Steven Spielbergs Die Farbe Lila war 1985 ebenso in elf Kategorien vertreten wie 1978 Am Wendepunkt von Herbert Ross. Trotzdem dürften David O. Russell (als bester Regisseur für American Hustle nominiert) und seine namhafte Schauspielergilde, darunter Amy Adams (als beste Hauptdarstellerin nominiert), Christian Bale (als bester Hauptdarsteller), Jennifer Lawrence (als beste Nebendarstellerin), Bradley Cooper (als bester Nebendarsteller) und Robert de Niro (nicht im Abspann des Films genannt und auch für keinen Oscar nominiert, aber in American Hustle mit der besten Leistung seiner letzten Jahre), ihren Augen und Ohren nicht getraut haben, als Preis um Preis an ihnen vorüberging.

American Hustle ist eine Komödie, eine der schönsten, die ich in jüngerer Zeit gesehen habe. Es wird exaltiert gespielt, aber nicht exzessiv wie in den Körperflüssigkeitskomödien der Apatow-Schule, es gibt Burleskes, aber nichts Brutales, wir dürfen lachen, weil die Figuren komisch, nicht weil sie peinlich sind. Natürlich wäre die Tour de Farce, die hier absolviert wird, ohne die Bereitschaft der Akteure, ihr gewohntes Image einmal für zwei Stunden abzulegen, undenkbar, und es gibt genug Zuschauer, die just das American Hustle verübelt haben, aber es ist dadurch endlich wieder einmal ein Film entstanden, der etwas vom Vergnügen der Beteiligten bei den Dreharbeiten vermittelt hat. Zuletzt war das bei Steven Soderberghs gleichfalls denkbar prominent besetzter und denkbar umstrittener _Ocean_-Serie der Fall.

Hollywood liebt seine Komödien, aber es dankt ihnen den Erfolg nicht. Dass die Coen-Brüder erst mit No Country for Old Men den Oscar für den besten Film gewonnen haben, nicht aber schon mit The Big Lebowski oder gar Fargo, ist unglaublich. Aber die letzteren beiden waren eben Komödien, rabenschwarz und exzellent. Ernsthaftigkeit zählt bei den für den Oscar stimmberechtigten Mitgliedern der Filmakademie jedoch mehr als Qualität. Wo wären denn die Oscars für Charlie Chaplin, Buster Keaton, Ernst Lubitsch, Frank Tashlin, um nur die Allergrößten im komischen Fach zu nennen? Fehlanzeige. Nein, Moment, Chaplin hat doch einen gewonnen: für die Musik in Rampenlicht, seinem todtraurigen Drama von 1952. Und er, Lubitsch und Keaton bekamen sämtlich Ehren-Oscars, weil es sonst zu peinlich gewesen wäre. Aber auch Siege sind keine Gewähr: Billy Wilder hat von seinen sechs Statuetten natürlich keine einzige für „Manche mögen’s heiß“ gewonnen.

Die Beschäftigung mit Komik ist für Filmenthusiasten leider meist nicht komisch. Entweder man ärgert sich über ihre Missachtung, oder man hält sich für etwas Besseres, schließlich geht es nicht zum Vergnügen ins Kino! Die Dauer-Affekte gegen deutsche Komödien seit dem Erfolg von Doris Dörries Männer …, also seit bald drei Jahrzehnten, sprechen diesbezüglich Bände. Dabei hat jede große Kinonation solche guilty pleasures zu bieten, Frankreich etwa zuletzt die “Camping“Filme, Amerika die Meet the Parents_Vehikel (in denen Robert De Niro die schlechtesten Leistungen seiner letzten Jahre ablieferte), Japan die über Jahrzehnte fortgesetzte _Tora san Filmreihe. Und über italienische Komödien möchte ich lieber schweigen, um nicht intensiver als nötig an entsprechend entsetzliche Festival- oder Italienische-Filmwochen-Erfahrungen erinnert zu werden. Doch immer wieder gab es auch Beispiele dafür, dass kein anderes Genre mehr über die Befindlichkeit eines Landes aussagen kann als geglückte Komödien. Ein Beispiel: der japanische Film Megane von Naoko Ogigami, der vor sechs Jahren auf der Berlinale lief. Oder Liebes Tagebuch, der seinem Regisseur Nanni Moretti 1993 in Cannes den Regiepreis einbrachte, aber derzeit nicht einmal auf DVD zu bekommen ist.

Solche Filme zeigen, was die Komödie verlangt: Rhythmus- und Tempogefühl. Sie verlangt Sprachwitz (das macht sie so schlecht vermittelbar auf dem internationalen Markt, wobei Ausnahmen wie Willkommen bei den Sch’tis die Regel bestätigen), sie verlangt Grenzüberschreitungen (auch das ist international ein Problem, weil unsere nationalen Geschmacksgrenzen festgelegter sind als die politischen), sie verlangt aber zugleich Fingerspitzengefühl. Kurz: Kein anderes Gerne ist anspruchsvoller, denn Humor kommt nicht aus dem Computer, Slapstick nicht aus dem Creative-Writing-Seminar, komische Körperlichkeit nicht aus Superheldenheftchen (wobei Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt eine schöne Ausnahme darstellt). Es wird Zeit, dass ernst gemacht wird bei der Analyse von Komödien. Oder bei den Preisverleihungen.

Andere machen erfreulicherweise schon ernst beim Spaß: Wenn Filme wie die finnische Science-Fiction-Groteske Iron Sky oder die deutsche Büro-Verlächerlichung Stromberg durch Crowdfunding finanziert werden konnten, dann belegt das die Beliebtheit von Komödien beim breiten Kinopublikum noch eindrucksvoller als Besucherzahlen. Die Liebe zum Lachen lockert die Geldbörse offenbar leichter als der verbissene Grimm von Sozialdramen. Und wenn dann einmal ein Film beides miteinander zu verbinden versteht, darf man umso mehr staunen. American Hustle ist so ein Werk, doch man merkt ihm seinen Ernst nie derart an, dass darunter sein Witz litte. Gedankt wurde ihm das nicht, zumindest nicht bei der Oscar-Verleihung. Aber ich bin dankbar für solche Filme.