Geld (Aus: Wörterbuch kinematographischer Objekte)

von Rembert Hüser

Geld ist immer schon da, sonst gäbe es den Film nicht. Aber es ist notorisch knapp. Jedes Geldstück muss x-mal umgedreht werden. (Was am Ende herauskommt, können wir uns ohnehin nicht leisten.) Filme sind kostspielig. Sie spielen Werte durch. Bewahren sie, rechnen sie gegeneinander, tauschen sie, halten sie knapp. Wir beobachten, wie uns etwas verkauft wird, das sich entwickelt und das wir mit uns herumtragen. Und sehen zu, was andere damit anfangen. In Herbert Achternbuschs DER NEGER ERWIN (1980) steht das Filmteam im Vorspann auf dem Vikutalienmarkt in München hinter verschiedenen Ständen. Eine ältere Frau hinter Wurzelgemüse beginnt: “Der Neger Erwin. Bayrischer Rundfunk.” … Eine jüngere Frau hinter Kartoffeln: “Heidi Handorff Script und Schnitt.” (Da muss sie lachen). Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln zwischen fiktionalem und dokumentarischem Modus geht es in einem fort hin und her.

Geld das ist (nicht nur im Film) nicht nur das Spektakel des Koffers mit der einen Million in Dollarscheinen, auf den wir (im Close up) starren, sondern immer auch die Fantasie, die damit einhergeht, was wir uns wohl damit alles kaufen könnten. Unsere sofortige Umrechnungsoperation. In uns geläufigere Währungen. Objekte, die selber plötzlich zahlen und erzählen. Uns anders zur Welt in Beziehung setzen. Geld ist immer Tauschmittel plus die Narration, die es für uns flüssig macht. Als mediales Substrat ist Geld eine Abstraktion, die die Konkretion im Zuge unserer Dreh-Arbeiten fordert. Es ist die Reihung der Objekte selbst, ihr Kitt, und ihre/unsere Transformationen im Moment der Zahlung. Herbert Achternbusch, der eben noch laut “Drehbuch, Regie, Produktion” vor den Knien des Karl-Valentin-Denkmals gesagt hatte, hat jetzt einen Trachtenanzug an und steckt sich Eier aus einer Tüte in seine Taschen. “Das rohe Ei ist das beste Mittel zur Selbstkontrolle. Nach der Haftentlassung. […] Mit rohen Eiern in den Taschen muss ich mich selber wie ein rohes Ei behandeln. […] Als erstes trink´ich ein Bier. So geht er an einen Imbissstand und denkt: Wie komme ich zu Geld, verdammt, verdammt […]. In meinem Film brauche ich zweierlei: ein Mädchen, das klaut und ein Mädchen, das bettelt. Ich spiele die versteckte Kamera.” Später wird ein 10-Meter Neger aus einem Nilpferd gezogen. Er ist schon so gut wie prozessiert. “Aber er lebt!” In William Akuffos Video “Diabolo” (1991) wird ein viele Meter langer Streifen aneinanderhängender Geldscheine aus dem Mund einer Prostituierten in Trance gezogen. Diabolo, der Bösewicht, hatte ihr einen Zaubertrank verabreicht, sich selbst in eine Schlange verwandelt und sie penetriert. Der Augenblick des Mannes als Schlange macht die Frau im nächsten Augenblick zum Geldautomaten. Zurückverwandelt kann er das Geld `abheben´. “Your place is very phantastic!”

Als zeitbasiertes Speichermedium macht der Film die Arbeitsweise des Geldes anschaulich. Er löst die Abstraktion des standardisierten Geldes immer wieder auf in die individuellen Präferenzen bei Transaktionen, die wir für uns weiter auflösen können. Und zeigt die ungleichen Verteilungen. Der Neger Erwin ist ich, die `Wirtschaft´ein Filmemacher. Am Ende träumt der für seinen nächsten Film von Afrika und beantragt `Entwicklungshilfe´.