LICHTER Preisträger 2016

2016 bildeten erneut die Wettbewerbe um den besten regionalen Lang- und Kurzfilm wieder zwei tragende Säulen des LICHTER Filmfests. Zum ersten Mal vergeben wir in diesem Jahr auch einen roten LICHTER BEMBEL für den Besten Internationalen Langfilm. Titel des Debütanten: LICHTER INTERNATIONAL FEATURE AWARD – gesponsert wird der mit 2.000 Euro dotierte Preis von prolight & sound.

Natürlich hat auch das Publikum wieder entschieden. Neben dem Preis für den beliebtesten Langfilm, der auch 2016 wieder von Binding gesponsert wurde, hat das Publikum zum ersten Mal den jeweils besten Kurzfilm aus den beiden regionalen Kurzfilmrollen gewählt.

Alle LICHTER-Preisbembel sind übrigens Spezialanfertigungen der Frankfurter Traditionstöpferei Maurer

LICHTER Langfilmpreis // Sung-Hyung Cho – Meine Brüder und Schwestern im Norden

Philipp Kohler

Von zwei lebensfrohen Nonnen, die eisern die Stellung in einem abgelegenen Kloster halten, zu einem gutmütigen Schluffi, der nichts lieber will, als gemütlich in einem Sommerhaus abzuhängen; von skurrilen Alltagspraktiken der nordkoreanischen Bevölkerung zu Fritz Langs Suche nach dem Wesen des Bösen. Der Wettbewerb um den Besten Regionalen Langfilm hätte 2016 nicht bunter nicht sein können! Insgesamt gingen 11 Filme ins Rennen um den weißen Bembel.

And the winner is… Sung-Hyung Cho begeisterte die Jury mit ihrer Dokumentation meine Brüder und Schwestern im Norden.

Der Film, der bei LICHTER 2016 seine Weltpremiere feierte, porträtiert die Menschen hinter den hartnäckigen Klischees und Stereotypen und gibt Einblicke hinter die protzige Propagandafassade einer uns verschlossenen Lebenswelt. Die Menschen, denen SUNG-HYUNG CHO auf ihrer Reise durch das Land begegnet – Soldatinnen, Bauern, Maler, Näherinnen – sind keine Zufallsbekanntschaften, sondern wurden vom Regime ausgesucht. Trotzdem nähert sie sich ihren Protagonisten dabei aufrichtig interessiert, respektvoll und vor allem ohne jegliche Wertung. So kommt ein fröhliches Volk zum Vorschein, dessen Liebe zu „seinem Führer“ uns mehr als einmal sonderbar erscheint, das seine Wünsche und die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung der beiden Koreas aber noch längst nicht aufgegeben hat. Die von der HESSISCHEN FILMFÖRDERUNG unterstützte und vom HESSISCHEN RUNDFUNK redaktionell betreute Dokumentation schlägt als außergewöhnlicher Heimatfilm dabei fast beiläufig die Brücke vom regionalen Filmschaffen zum diesjährigen Schwerpunktthema „Grenzen“.


Die Begründung der Jury

“Die Frankfurter Regisseurin und gebürtige Südkoreanerin zeichnet ein Bild von den Menschen und ihrem Alltag in Nordkorea, das die wenigsten von uns so kennen. Sung-Hyung Cho bewegt sich im Rahmen der vom System vorgegebenen Möglichkeiten und schöpft diese auf kluge und respektvolle Weise aus. Durch sehr bestimmtes und dem Protagonisten trotzdem Raum-gebendes Nachfragen, entsteht ein mosaikartiges Porträt eines zerrissenen Landes. Der Film eröffnet dem Zuschauer die Möglichkeit, hinter die Bilder zu schauen, zwischen den Zeilen zu lesen und eine eigene Haltung einzunehmen. Wir wünschen dem Film ein großes Publikum, das diese schöne Herausforderung annimmt.“


Bereits zum zweiten Mal darf sich Sung-Hyung Cho über den begehrten LICHTER-Bembel freuen. Ihr winken mit dem LICHTER LANGFILMPREIS winken 2.000 Euro und natürlich der weiße LICHTER BEMBEL.

LICHTER International Feature Award powered by prolight + sound

Philipp Kohler

Zum ersten Mal wurde in diesem Jahr auch ein roter LICHTER BEMBEL für den Besten Internationalen Langfilm vergeben. Insgesamt gingen zehn Filme mit der Unterstützung aus über 15 Ländern ins Rennen um den LICHTER INTERNATIONAL FEATURE AWARD.

2016 dürfen sich gleich zwei Filme, über den neu initiierten Preis freuen: Les Sauteurs und Masaan teilen sich den von prolight + sound gestifteten Preis im Wert von 2.000 Euro.

Les Sauteurs (Regie: Abou Bakar Sidibé, Estephan Wagner, Moritz Siebert)

Wie Hunderte andere junge Männer hat sich Abou aus der Subsahara auf den beschwerlichen Weg nach Europa gemacht. Sehnsüchtig blicken sie auf die spanische Enklave Melilla und das Mittelmeer. Doch die Versuche, über die dreifach gesicherte Grenzanlage nach Europa zu gelangen, bezahlen viele der vor Perspektivlosigkeit und Bürgerkrieg Fliehenden mit dem Leben.

Die beiden Filmemacher ESTEPHAN WAGNER und MORITZ SIEBERT haben Abou eine Kamera geschenkt. Er widersteht der Versuchung, sie zu verkaufen, und wird zum Chronisten des täglichen Existenzkampfs seiner Schicksalsgemeinschaft. In ihr organisieren sich die Menschen, um zu überleben – und um eines Tages die Grenze zu überwinden. LES SAUTEURS ist ein einzigartiges Dokument unserer Zeit. Eindrucksvoll setzt es den anonymen Bildern von Drohnen und Überwachungskameras die Geschichten und Gesichter der Geflüchteten entgegen.

Masaan (Regie: Neeraj Ghaywan)

In seinem Erstling MASAAN erzählt MEERAJ GHAYWAN vom Erwachsenwerden junger Menschen zwischen Tradition und Moderne im heutigen Indien: Die Studentin Devi wird mit ihrem Liebhaber von der Polizei in einem Hotelzimmer erwischt. Dieser begeht vor Scham Selbstmord, ihr Vater und sie werden von einem korrupten Polizisten erpresst, der droht, den vermeintlichen Fehltritt der Tochter öffentlich zu machen. Deepak hingegen, der als Mitarbeiter eines Krematoriums zur Unterschicht gehört, sucht nach einem Weg, mit seiner ersten großen Liebe aus einer höheren Kaste zusammen zu sein. Beide ringen sie mit dem Kastensystem, einer rigorosen Sexualmoral und den brutalen Strafen, die jenen drohen, die mit den alten Werten brechen. Vorsichtig nähern sie sich einer Moderne, die ihnen Alternativen zu der Hierarchie anbietet, mit der sich ihre Väter noch mehr schlecht als recht arrangiert haben. Mit Witz und Leben erzählt Ghaywan von zwei starken Persönlichkeiten, deren Wege sich schließlich in einer der heiligsten Städte Indiens, Varanasi, kreuzen. Ghaywan erhielt in CANNES „PROMISING FUTURE PRICE für ein Debüt, das möglicherweise exemplarisch die Geschichte einer Generation erzählt, die einen Ausweg sucht aus einem Wertesystem, mit dem sie sich kaum noch identifizieren kann.

MEERAJ GHAYWAN gewann nebem dem „PRIX DE L’AVENIR“ für den besten Debütfilm in CANNES auch den dort vergebenen FIPRECSI KRITIKER-PREIS in der Sektion „UN CERTAIN REGARD. In Kochi beim ALL LIGHTS INDIA INTERNATIONAL FILM FESTIVAL konnte der junge Filmemacher außerdem den Preis für den BESTEN SPIELFILM entgegennehmen.

Gesponsert wird der mit 2.000 Euro dotierte Preis von prolight & sound. sind im Wettbewerb! Man darf also gespannt sein, auf welchem Kontinent bald ein hessischer Apfelweinkrug im Regal stehen wird.

MBF KURZFILM FÖRDERPREIS

Philipp Kohler

Seit der ersten Ausgabe bietet LICHTER auch dem kurzweiligen Filmvergnügen eine große Plattform. Mit dem MBF-KURZFILMPREIS fördert das Festival nun schon im neunten Jahr den Nachwuchs aus der Region.

2016 geht der begehrte weiße Kurzfilm-Bembel an Florian Grolig für seinen Animationsfilm In The Distance

Der Plot: Hoch oben, weit weg von Allem, lebt ein vereinzelter Mensch während die Welt um ihn herum zusehends im Krieg versinkt. Der melancholische, wunderschön animierte Film pendelt zwischen Apokalypse und Hoffnung.
In the Distance war außerdem nominiert für den Europäischen Filmpreis 2016.


In der Begründung der Jury heißt es:

Ein Mann lebt einsam in einem Hochhaus. Seine Welt scheint im Gleichgewicht. Doch ein ausbrechender Krieg, von dem er zunächst nichts wissen will, droht diese zu zerstören. Die Ausweglosigkeit der Situation zwingt ihn seinen Kosmos zu verlassen und ins Unbekannte herab zu steigen. Eindrücklich, mit Feingefühl und mit einer klaren, starken Bildsprache, die zeichnerisch großartig umgesetzt ist, vermittelt uns Florian Grolik’s Film die Botschaft, dass Ignoranz und Verdrängung keine Lösung ist. Wir gratulieren dem Regisseur zu seinem überragenden Film 'In The Distance'.


Der mit 1.000 EURO IN BAR dotierte Preis beinhaltet auch eine SACHBEISTELLUNG DER MBF FILMTECHNIK IN HÖHE VON 3.000 EURO sowie ZWEI SEMINARGUTSCHEINE (Wert: je 180 Euro), gestiftet vom FILMHAUS FRANKFURT.

Eine lobende Erwähnung fand der Kurzfilm Der Langstreckenläufer von Zuniel Kim.

Dem Regisseur gelingt es, eine Synergie herzustellen aus der Lebensaufgabe und -geschichte eines Ausnahmeathleten und seinen Filmbildern. Unaufdringlich und fesselnd bebt dieser Film von der Energie eines Mannes, dessen Leben das Laufen ist”, resümiert die Jury.

Gleichzeitig darf sich Grolig auch über den ersten LICHTER Kurzfilm Publikumspreis 2016 freuen. Zum ersten Mal verlieh LICHTER in diesem Jahr pro Kurzfilmrolle einen Publikumspreis. Der zweite Award ging an DENNIS STEIN-SCHOMBURG für seinen Animationskurzfilm THE OLD MAN AND THE BIRD. Der Plot: In einer abgeschiedenen Waldhütte lebt ein alter Mann. Die Hütte trotzt Wind und Kälte, doch ein Schneesturm tobt durch Roland Fischers Parabel auf das Sein und weht ein Rotkehlchen an das Fenster des Greises.

BINDING PUBLIKUMSPREIS

Avi Dehlinger

Beim BINDING PUBLIKUMSPREIS bittet LICHTER nun schon zum dritten Mal die Zuschauer selbst an die Wahlkarten. Denn, was könnte eigentlich wichtiger sein, als ihr Urteil. Der mit 2.000 EURO dotierte Preis – zu dem natürlich auch ein Kasten Bier gehört – geht 2016 an die Darmstädter Regiedebütantin Katharina Uhland für ihre ergreifende Dokumentation Auf einer Skala von 1-10.

Als ihre Schwester mit 26 Jahren an Knochenkrebs erkrankt, greift Katharina auf ihrer Suche nach Halt zur Kamera und dokumentiert von nun an den langen, oft beschwerlichen Kampf gegen die türkische Krankheit. Im Krankenhaus begegnet ihr die ebenfalls an Knochenkrebs erkrankte Nadine und deren kleiner Sohn Bendix. Für Katharina die Möglichkeit, sich im Dialog den eigenen Ängsten zu stellen und so auch ihre Schwester besser zu verstehen.

Zur Auswahl stehen alle Filme, regionale und internationale, die nicht älter als zwei Jahre sind und noch keinen deutschen Kinostart hatten bzw. noch nicht im TV zu sehen waren.